Interessenorientierte Beziehungsgespräche

Das interessenorientierte Beziehungsgespräch ist das grundlegende Werkzeug von Community Organizing und bei seiner richtigen Anwendung radikal anders als viele anderen Gespräche. Grundgedanke ist es, sich gegenseitig in seiner Vielschichtigkeit kennen zu lernen und die Antriebskräfte des alltäglichen Handelns zu erkennen. Das Gespräch ist nie Selbstzweck, sondern immer ein erster Schritt, um eine öffentlich-persönliche Beziehung aufzubauen.

Das interessenorientierte Beziehungsgespräch wurde in den späten 1950er und 1960er Jahren durch Edward Chambers entwickelt. Er verband hierfür die Kampagnenerfahrungen von Saul Alinsky mit seinen Erfahrungen im Chicagoer Südwesten und übertrug diese in das Training der Industrial Areas Foundation (IAF). In seinem Buch Roots for Radicals benennt er einige Kernmerkmale, von denen vor allem die Orientierung am Gegenüber und seinen „Talenten, Interessen, seiner Motivation und Vision“ bis heute Bestand hat.

Im Alltag einer Bürgerplattform werden pro Woche in der Regel 15-20 interessenorientierte Beziehungsgespräche alleine durch die jeweiligen Community Organizer*innen geführt. Einige mehr noch durch die jeweiligen Schlüsselpersonen aus den mitwirkenden Gruppen. In dem Aufbauprozess einer Bürgerplattform finden so mehr als 1000 Gespräche im Laufe von 2-3 Jahren statt.

Ablauf des gemeinsamen Treffens

Im Gegensatz zu einem Interview oder einem seelsorgerisch-therapeutischen Gespräch, treffen sich bei einem interessenorientierten Beziehungsgespräch beide Gesprächspartner*innen auf Augenhöhe. Dies verdeutlicht die Grundhaltung zueinander. Auch wenn das Gespräch meistens durch eine*n Community Organizer*in angeregt wird, sollten sich Gesprächsanteile und Tiefe der Inhalte auf beiden Seiten die Waage halten.

Um das Gespräch persönlich zu gestalten, kann z.B. auf den eigenen (Ausbildungs-)Hintergrund, die Bezüge zur jeweiligen Stadt und die eigene Motivation für das Gespräch Bezug genommen werden.

Es geht um einen Austausch über Herausforderungen, vor denen die Gesprächspartner*innen stehen, wo sie Ärger aufgebaut oder Motivation erfahren haben. Beide Partner*innen entscheiden sich, wie viel sie von sich preisgeben möchten.

Grundvoraussetzung für ein gelingendes Gespräch ist das gegenseitige Zuhören und das empathische Eingehen auf das Gesagte.

 

Literatur

Chambers, E. T. (2003). Roots for radicals: organizing for power, action, and justice. New York: Continuum.

Penta, L. (2007). Community organizing: Menschen verändern ihre Stadt. Hamburg: Ed. Körber-Stiftung.

 

Weitere Informationen

Ernesto Cortez, jr. zu interessenorientierten Beziehungsgesprächen: zum Video geht`s hier